Fasching – Über Sinn und Unsinn von Blödsinn
„Jetzt fliegen gleich die Löcher aus dem Käse…“ wer bei diesen Klängen panisch Ausschau hält nach dem nächsten Loch, um möglichst schnell sang- und klanglos darin zu verschwinden, kann diesen Beitrag trotzdem getrost zu Ende lesen und dabei hoffentlich, wer weiß, ja vielleicht doch noch das eine oder andere Mal die Mundwinkel nach oben verziehen, a.k.a. „lächeln“.
An alle anderen ein kräftiges „Helau“ und „Alaaf“, denn ja: sie ist unüberhörbar wieder da, die fünfte Jahreszeit mit allen ihren typischen Farben, Gerüchen und aufgeweichten Kamellen in stolzen Kinderhänden. „Schau mal, was ich gefunden habe“… Eltern überlegen dann meistens kurz, ob sie wirklich wissen wollen, wie lange das Fundstück in der Pfütze neben dem Faschingszug schon gelegen hat, oder ob sie einfach „toll, Schatz!“ rufen und versuchen, die Aufmerksamkeit des Sprösslings auf den nächsten Krapfenstand zu lenken, um die olle Kamelle dann möglichst unauffällig zu entsorgen und durch einen lecker duftenden Berliner zu ersetzen. (Das Gebäck, nicht einen Bewohner der deutschen Hauptstadt, natürlich). Bei aller Narrenfreiheit und anarchischer Energie, die seit jeher im Fasching steckt: Menschen wurden noch nie verzehrt, auch nicht mit Puderzucker obendrauf.
Historisch betrachtet diente der Fasching einerseits dazu, während der letzten Tage vor dem Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch noch einmal ordentlich Fett, Mehl, Eier und Zucker zu tanken. Daher die klassischen Gebäcksorten wie Krapfen, Ausgezogene oder in Frankreich „Bugnets“(raffiniert mit Orangenwasser).
Andererseits stellte der Fasching, gesellschaftlich betrachtet, die Welt einfach einmal vom Kopf auf die Füße. Plötzlich war es erlaubt, sämtliche mächtige Institutionen wie Kirche, Militär oder Adel mal ordentlich durch den Kakao zu ziehen. Daher die Uniformen bei den Prinzengarden, die Ernennung zu (Faschings-)Prinz und Prinzessin, aber auch die Frauen, die den Krawatten der Männer am unsinnigen Donnerstag einfach mal einen neuen Schnitt verpass(t)en.
Aber klar war immer auch: Dieses Dampf-Ablassen war ein festgelegtes, begrenztes Ritual, das zwar viel Spaß macht, aber der bestehenden Ordnung keinerlei Schaden zufügt.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
Einen zusätzlichen Grund für das ausgelassene Feiern gab es übrigens bei unseren französischen Nachbarn, zumindest in manchen Regionen. Im Nordwesten, zum Beispiel in Granville, brachen die Fischer traditionell am Faschingsdienstag, dem Mardi Gras, in Richtung Neufundland auf. Da beileibe nicht sicher war, ob sie wieder gut zurückkehren würden, bürgerte sich die Tradition ein, vor dem Abschied noch einmal ordentlich zu feiern. In einer Geste des Widerstands, des Eigensinns, des Humors hagelte es plötzlich Heringe vom Rathausturm. Auch heute noch könnte man sich als unkundiger Zugereister zur Faschingszeit dort die Frage stellen: Ändert sich das Wetter? Die Heringe fliegen heute so tief…
Mardis Gras, wörtlich, der fette Dienstag, ist auch in den USA, besonders in New Orleans ein Begriff. Das Gebiet war früher französische Kolonie und die Bewohner haben sich aus der katholischen Tradition heraus selbstverständlich nicht nur die Fastenzeit, sondern auch den Karneval davor mit über den großen Teich gerettet.
New Orleans – Mardi Gras, here we come!
Allen musikalischen Menschen, die nur schwer ertragen, wie bei deutschen Narrhalla-Märschen allenfalls unfreiwillig Synkopen zustande kommen, weil die Musiker immer feste auf die 1 und die 3 eindreschen, das Publikum jedoch seinen Klatsch-Einsatz, da mit Schunkeln beschäftigt, regelmäßig um eine Viertel- bis Achtelnote verfehlt, sei ein wunderbares Video von Jon Batiste ans Herz gelegt, das eine Hommage an den afro-amerikanisch karibischen Karneval darstellt und zwar über mehrere Schauplätze (Brasilien inklusive) hinweg.
Wer es weniger exotisch, sondern eher heimatverbunden mag, wird auch fündig. Eine schöne Faschingstradition könnte man beginnen, indem man „die Orchesterprobe“ von Karl Valentin anschaut. Vielleicht tragen ganz Mutige danach anlässlich des Faschings das „Krawattl“ ja absichtlich hinunterwärts. Wer jetzt verwirrt ist, weil er glaubt, das immer schon getan zu haben, hat den Sketch definitiv noch nicht gesehen.
Alle Leserinnen muss ich an dieser Stelle leider enttäuschen: bei diesem „Krawattl“ gibt es nichts abzuschneiden…Aber die wunderbare Lisl Karlstadt spielt kongenial den Kapellmeister.
Vielleicht könnte man/frau und alle dazwischen sich das nächste Mal bei „Störungen im Betriebsablauf“ sei es im Büro oder bei der Bahn oder wenn Kollege X oder Kunde Y wieder einmal Unsinn redet, ja einfach ganz entspannt denken:
„Es freut sich’s Herz und das Gemüt, wo die Blume des Blödsinns blüht.“
(Karl Valentin)